Bericht von Bruder Nic

Mittwoch 5.5.

Nach einer dreistündigen Anfahrt mit Zug und Bus sind wir sicher in Sent im Chasa Mazzina angekommen. Die Zeit reicht gerade noch für einen kurzen Austausch mit anderen Mitgliedern via Zoom um 19 Uhr, bevor wir zum ersten Mal den Iftar in Sent zu uns nehmen. Aufgrund der Lage von Sent können wir fast 15 Minuten früher unser Fasten brechen.

Donnerstag 6.5.

Am späten Nachmittag erkunden wir das Dorf anhand eines Rundganges. Wir sind überrascht wie viel Gottergebenheit wir antreffen. Als erstes ist uns diese Einschrift eines Hauseinganges aufgefallen:

Es ist vol ein ser grose Spot
das man sGelt mehr liebet als Got
het man Got so lieb als das Gelt
so stuont es vil besser in der Velt
Jakob Bardola Pult 1650

Weitere Einschriften und Sprüche stehen auf verschiedenen Häusern. Leider sind wir der rätoromanischen Sprache nicht mächtig und können so vieles nicht entziffern. Doch uns fällt der Gruss «Allegra» auf, mit welchem wir immer wieder gegrüsst werden, und fragen uns, was dieser wohl bedeuten mag. «Allegra!» ist die übrig gebliebene Kurzformel des ursprünglichen „Cha Dieu ans allegra!“, deutsch: möge Gott uns erfreuen! (wikipedia)

Freitag 7.5. Erster Tag Iʿtikāfprogramm

Vier Uhr morgens schlurfen wir zu dritt ins Wohnzimmer und versuchen erst einmal richtig wach zu werden. Wir lesen via Zoom mit den anderen Teilnehmern eine kurze Sure und sind sofort alle hellwach. Nach kurzer Lesung und Gebet verabschieden wir uns wieder. Einzelnen fällt es danach schwer wieder Schlaf zu finden und so gibt sich jemand der Meditation hin und eine anderer geniesst die kühle Morgenluft und den Blick auf die Berge in der Dämmerung.

Beim Programmpunkt am Nachmittag geht es ums gegenseitige Kennenlernen der Teilnehmenden. So kommen Vorlieben, Sehnsüchte und Fettnäpfchen zu Tage. 🙂 Danach wagen wir einen kleinen Spaziergang.

Nach dem gemeinsamen Gebet, Fastenbrechen und einer kurzen Lesung ab 21 Uhr verabschieden wir uns in die Nachtruhe.

Samstag 8.5.

Nach dem üblichen Morgenprogramm trafen wir uns ab 14 Uhr fürs Gebet, Lesung und die Vorstellung der Baha’i-Religion. Kerem hat sich unterdessen für eine grosse Schweizreise aufgemacht und fährt von Sent nach Schlieren zur Gemeinschaftsstunde, nach St. Gallen zum interreligiösen Gebet (Thema: Fasten) und dann nach Bern, um schliesslich am Sonntag wieder nach Sent zurückzukehren.

Nach einer Einführung in die Baha’i-Religion werden verschiedene Gebete vorgelesen und Musikclips abgespielt. Darin geht es meist darum, die Menschheit als eine Einheit zu betrachten. So nutzt die Baha’i-Religion alle möglichen Offenbarungsschriften als Quelle und jeder kann seine eigene Tradition mitbringen. Es wird meist gemeinsam gesungen und meditiert. Zudem macht die Religion Vorschläge zur Gestaltung der Politik.

Die Sonne Deines Erbarmens scheint auf alle und die Wolken Deiner Grossmut regnen auf alle. Deine Gaben umfassen alle, Deine liebende Vorsehung erhält alle, Dein Schutz beschirmt alle, und Deine Gunst erfasst alle mit ihrem Leuchten.

Abdu‘l-Baha

Der Abend ist wieder vom gemeinsamen Gebet und Fastenbrechen gekennzeichnet. Zudem dürfen wir den klaren Nachthimmel im dunklen Tal in voller Pracht bestaunen und zählen mehrere Sternschnuppen.

Wir haben ja den untersten Himmel mit Lampen geschmückt und haben sie zu Wurfgeschossen gegen die Satane gemacht. Und bereitet haben Wir für sie die Strafe der Feuerglut.

Koran 67:5

Sonntag 9.5.

Einer kommt, einer geht. Nachdem Kerem zurück ist, verlässt Nic Sent, um sich Zuhause um die Haustiere zu kümmern. Am Nachmittag wird die monotheistische Sikh-Religion vorgestellt. Auch in der Tradition des Sikhismus wird dazu gesungen und musiziert, um Gott zu lobpreisen. Die Religion wird von einem 1430 Seiten starken Werk von 10 Gurus gestützt. Darin ist z.B. der Stellenwert der Frau klar ersichtlich:

Von einer Frau wird der Mann empfangen, von einer Frau wird er geboren, mit einer Frau ist er verlobt und verheiratet, mit einer Frau bildet der Mann Freundschaft und durch eine Frau wird die Fortpflanzung erhalten.

Guru Nanak Dev Ji

Montag 10.5.

Wie schon letztes Jahr durften wir uns glücklich schätzen und bei der christlichen Meditation von Margrit Wenk und Mathias Wenk dabei sein. Zentrum der Meditationsform war jeweils eine kurze Stille von 15 Minuten mit einem bestimmten Gedanken. So war es auch das erste und einzige Mal, dass wir konkret zusammen meditiert haben. Einprägsam war zudem die Geschichte von Bruder Klaus und sein Gebet:

Du Mein Gott nimm alles von mir, was mich hindert zu dir.
Du mein Gott gib alles von mir, was mich führet zu dir.
Du mein Gott, nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir.

Dienstag 11.5.

Der letzte Tag Iʿtikāf ist gekommen. Bereits jetzt spürt man eine gewisse Wehmut, dass die gemeinsame Zeit sich dem Ende neigt. Wir lesen zum letzten Mal morgens gemeinsam eine kurze Sure. Die Suren, welche im Iʿtikāf gelesen wurden (ab Sura 82), sind oftmals von Beschreibungen des letzten Tages, Hölle und Paradies geprägt.

Nach dem Mittagsgebet wird die Hindu Religion vorgestellt. Für uns Muslime ist es teilweise schwierig den Überblick bei so vielen Halbgöttern und Gottheiten zu bewahren. Aber auch bei den Vortragenden wird klar, dass einige von ihnen ähnlich empfinden und daher aufgehört haben sich an Halbgötter zu wenden, sondern sich im Gebet direkt an Krishna (die höchste Gottheit) wenden. Ähnlich wie im Islam und Christentum gibt es die Praxis anhand einer Perlenkette Gottes zu gedenken, indem „Mantras“ wiederholt werden. Des Weiteren wird uns das sogenannte Chanting nähergebracht: das Wiederholen und beständige Singen der Heiligen Namen Gottes.

Nach dem Iʿtikāf ist vor dem Iʿtikāf

Es werden bereits Pläne und Ideen für das nächste Jahr geäussert. Gerne wieder in Sent, dieses Mal mit einem grösseren Fokus auf den Islam, den innermuslimischen Dialog und natürlich den Koran. Vielen Dank an alle, die dabei waren, besonders an die externen Referierenden. Zudem an Ajša, welche die Idee hatte, im Chasa Mazzina in Sent zu übernachten, und die das Programm für den Iʿtikāf entworfen hat. Tiefer Dank geht auch an Frau und Herr Schenkel für die kostenlose Bereitstellung ihres Ferienhauses.


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