von Kerem Adıgüzel

Ich suche Zuflucht bei Gott vor dem verworfenen Satan (Koran 16:98)
Im Namen Gottes, Des Erbarmers, Des Gnädigen (Koran 1:1)

Wir bieten islamische Trauungszeremonien an und sind auch offen für interreligiöse Zeremonien. Dabei erhalten wir vor allem von Schwestern die Frage, ob sie als Musliminnen einen (kulturellen) Nichtmuslim heiraten dürfen.

Im Koran gibt es keine kulturelle Einschränkung, was die Heirat zwischen Angehörigen verschiedener Religionen angeht. In der Tradition wurden viele Regeln nur auf Männer bezogen; Frauen wurden als Ausnahme betrachtet, für die andere Regeln gelten würden, die im Koran jedoch nicht erwähnt sind. So dürfen angeblich nur Männer Frauen aus gewissen Religionen oder Konfessionen heiraten, während dies den Frauen untersagt sei. Denn, so die fälschliche Behauptung, Gott hätte das Patriarchat verordnet, wonach die religiöse Erziehung in der Verantwortung des Mannes liege und er deshalb (kulturell-religiös) muslimisch sein müsse, um das Fortbestehen des muslimischen Glaubens durch die Kinder abzusichern. In den Rechtsschulen gibt es dazu eine Vielfalt unterschiedlichster Positionen, die jedoch zumeist neben dem Koran weitere Einschränkungen einführen, was aber laut Koran nicht erlaubt ist (42:21). Ganz zu schweigen von den vielen Problemen, die sich durch diese einseitigen und nicht Koran-konformen Betrachtungen ergeben, dürfen sämtliche Gläubige – egal welchen Geschlechts – nur gläubige Partner ehelichen:

Und lasst euch nicht die Beigesellerinnen heiraten, ehe sie glauben, da eine gläubige Dienerin besser ist als eine Beigesellerin, auch wenn sie euch gefällt. Und lasst euch nicht die Beigeseller heiraten, ehe sie glauben, da ein gläubiger Diener besser ist als ein Beigeseller, auch wenn er euch gefällt. Jene laden zum Feuer ein und Gott lädt zum Garten und zur Vergebung ein; mit Seiner Erlaubnis. Und Er macht Seine Zeichen für die Menschen klar, auf dass sie sich erinnern.

2:221 Hanif-Übersetzung

Die Beziehung zu einem ableugnenden Menschen bringt laut diesem Vers einen Schaden im Glauben mit sich. Der Vers behandelt weder eine religiöse Zugehörigkeit noch weitere kulturelle Aspekte. Vielmehr geht es um eine charakterliche Integrität und vertrauenserweckende Rechtschaffenheit vor Gott als Zeichen des Glaubens:

24:26 Die schlechten Frauen sind für die schlechten Männer, und die schlechten Männer sind für die schlechten Frauen. Und die guten Frauen sind für die guten Männer, und die guten Männer sind für die guten Frauen. Diese werden freigesprochen von dem, was man (über sie) sagt. Für sie sind Vergebung und edle Versorgung.

Hanif-Übersetzung

Bei einer Heirat ist notgedrungen stets eine subjektive Momentaufnahme durch den jeweiligen gottergebenen Partner nötig, der eine andere Person heiraten möchte. Diese Einschätzung darf niemals mit einer Verurteilung Gottes am Jüngsten Tag verwechselt werden, die völlig anders ausfallen kann. Ohnehin sind wir nicht zu solchem angehalten, da wir situationsbedingt hinsichtlich einer bevorstehenden Trauung urteilen müssen, aber nie verurteilen dürfen. Die wesentliche Frage hierbei ist: Wer ist nun gläubig? Gibt es nur in der kulturell-muslimischen Religion gläubige Menschen?

Gewiss, diejenigen, die glaubten, die Juden, die Christen und die Sabäer, wer an Gott und den letzten Tag glaubte und Rechtschaffenes tat, sie haben ihren Lohn bei ihrem Herrn und weder Angst sei über ihnen noch sollen sie traurig sein.
(vgl. auch 5:69, 3:113f.)

2:62 Hanif-Übersetzung

Die Verse 2:62 und 5:69 erläutern uns, dass der Glaube nicht mit einer bestimmten Religion verbunden ist, sondern mit den folgenden Grundsätzen:

  • Die Überzeugung, dass eine allumfassende Energie oder eine absolute Macht, egal wie sie genannt wird, existiert, die über allem steht
  • Die Haltung, dass wir mit unseren Taten zur Verantwortung gezogen werden im nächsten Leben (Jüngster Tag, Engel, Hölle und Paradies usw.)
  • Das Gute tun und das Schlechte ablehnen

In Anbetracht all dieser Verse stehen Vertrauen, Sicherheit und Glaube in einer wechselseitigen Beziehung zwischen der eigenen Seele und Gott. Ein gottergebener Mensch, muslim auf Arabisch, bleibt sich selbst treu und pflegt dementsprechend ein Moralverständnis in Anlehnung an eine universell orientierte, humanistische Ethik, die von jeglichen religiösen Gruppierungen losgelöst gültig ist und die die Menschenwürde als Fundament versteht. Diese Ethik darf auf zwischenmenschlicher Ebene selbstredend nicht den moralischen Prinzipien des Korans widersprechen. Beigesellende sind hiernach Menschen, die das Vertrauen anderer Menschen missbrauchen oder andere oder sich selbst täuschen (sh. Schlüssel zum Verständnis des Koran: Beigesellung (Schirk) – Der Virus des Denkens).

In anderen Worten sind wir frei die Person zu heiraten, die von diesen Grundsätzen überzeugt ist, egal welcher Religion sie angehören mag. Denn die wahre Einstellung im Leben ist die Gottergebenheit, islām auf Arabisch (vgl. 3:19), die universell ebenso in anderen Religionen zu finden ist. Der Ausdruck Gottergebener wird im Koran z.B. auch für die Jünger Jesu, also Christen, gebraucht:

[…] Die Jünger (von Jesus) sagten: Wir sind die Helfer Gottes. Wir glaubten an Gott, so bezeuge, dass wir Ergebene (muslimūn) sind.

3:52 Hanif-Übersetzung

Noch deutlicher wird dieser Umstand in der Person Abrahams, der bereits dieses Wort nutzte und uns Gottergebene nannte (22:78, vgl. auch Abraham: Der erste Prophet der Ergebung).

Häufig wird der folgende Vers herangezogen für die Behauptung, dass im Koran eine interreligiöse Ehe nur den Männern vorbehalten sei:

5:5 Heute sind euch die guten Dinge erlaubt. Und die Speise derer, denen die Schrift gegeben wurde, ist euch erlaubt, wie auch eure Speise ihnen erlaubt ist. Und (erlaubt sind) die Ehrbaren von den gläubigen Frauen und die ehrbaren Frauen derjenigen, denen vor euch die Schrift gegeben wurde, wenn ihr ihnen ihre Brautgaben gebt als Ehrbare, weder um hemmungslos zu sein noch um sich Liebhaber zu nehmen. Und wer den Glauben ableugnet, dessen Tat ist ohne Zweifel zunichte geworden und im Jenseits wird er unter den Verlierern sein.

Hanif-Übersetzung

Leider wird dieser Vers manchmal gar falsch übersetzt und anstelle des Wortes gläubig steht muslimisch, was natürlich einen falschen Eindruck hinterlässt und vielmehr die eingeschränkte Sichtweise des Übersetzers wiedergibt, die eher einem altertümlichen Stammesdenken gleicht als der zeitlosen Botschaft des Korans gerecht zu werden. Es steht nirgends im Koran, dass die Frauen nicht dieselben Rechte hätten. Im Gegenteil, die Gleichheit vor Gott ist für alle Geschlechter ausdrücklich gegeben im Koran (2:187, 33:35, 3:195, 16:97, 9:71). Aus diesem Grund gilt diese Regel analog gleichermassen für die Frauen.

Wir hoffen hierdurch einiges geklärt zu haben und wünschen allen Menschen Gottes Segen und Leitung.

Der Friede sei mit euch!


1 Kommentar

Hartwig Hagena · 18. April 2022 um 6:43

Dieser Text hat mich sehr gefreut, da mich die verbreitete Einstellung bei Muslimen, dass Muslimische Männer christliche Frauen heiraten dürfen, nicht aber umgekehrt sehr verletzt hat, da sie dem Ziel einer gegenseitigen liebevollen Gleichbehandlung elementar widerspricht.

Leider spreche ich kein arabisch und meine Korankenntnisse sind natürlich auch bei weitem nicht ausreichend um allen ihren Argumenten zu folgen. Ich vertraue als Christ aber darauf, dass der barmherzige Gott mit Wohlgefallen auf uns schaut, wenn wir versucht in liebevoller Zuneigung hier auf erden miteinander umzugehen (selbst wen wir vielleicht trotz unseres ehrlichen Bemühens eines seiner Gebote nicht vollständig richtig erfassen)

Vielen Dank für Ihre segensreiche Arbeit an der gemeinsamen Verständigung (die ich auch an anderen Stellen Ihrer Website als sehr wohltuend empfunden habe! 🙂 Da wir als Familie seit gut 6 Jahren mit einer syrischen Familie unter einem Dach wohnen und dies auch zu lebhaftem, nicht immer einfachen Dialog über unsere jeweiligen Glaubensüberzeugungen geführt hat hoffe ich, dass Ihre Informationen und Überzeugungen uns an den kritischen Stellen weiterhelfen können.

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