Al-Rahman – mit Vernunft und Hingabe erinnert heute, dem 27. Januar 2020, an den 75. Jahrestag der Befreiung der Konzentrationslager in Auschwitz.

Ein Tag an dem Licht in einen dunklen Zeitabschnitt der Menschheitsgeschichte fiel: Am 27. Januar 1945, also vor 75 Jahren, haben Soldaten der ersten Ukrainischen Front (Streitkräfte der Sowjetarmee) das Vernichtungslager Auschwitz, welches sich im durch das nationalsozialistische Regime besetzte Polen befand, befreit.

Im Hauptlager in Auschwitz, das auf einem ehemaligen Barackengelände der polnischen Armee errichtet wurde, sassen zeitweise mehr als 20.000 Insassen ein. Hinzu kamen mehr als 90.000 Häftlinge, die in dem noch grösseren Lager im drei Kilometer entfernten Birkenau (Brzezinka) untergebracht waren. Hier wurden seit Anfang 1933 alle Andersdenkenden und Gegner des Regimes konzentriert: Kommunisten und Sozialdemokraten, Zeugen Jehovas, oppositionelle Priester und Pastoren, politisch unliebsame Juden, Sinti, Roma und Homosexuelle. Seit 1941 dienten die Konzentrationslager der Vernichtung von Millionen Menschen. Auf dem – später auch Auschwitz II genannten – Gelände in Birkenau liess Hitlers Schutzstaffel (SS) Anfang 1942 die ersten Gaskammern errichten. In Auschwitz wurden durch das industrielle Vernichtungssystem der Nationalsozialisten insgesamt schätzungsweise mehr als eine Million Menschen umgebracht. Ein wirklich unfassbares Menschheitsverbrechen, welches in juristischer Hinsicht bei weitem den Verbrechenstatbestand des Genozids erfüllt.

Trotz der menschenunwürdigen Bedingungen in den Lagern, den schwerwiegenden Leiderfahrungen der inhaftierten Menschen und dem drohenden Tod hielten viele von ihnen dennoch am Glauben fest und fanden darin ihren Trost. So berichtet der Zeitzeuge Leyb Langfus: «Rabbi Fridman steht nackt wie der Rest der Deportierten in dem Auskleideraum und spricht zu dem SS-Oberscharführer. Er sagt ihm, dass die Nazis für ihre Taten gerichtet werden und dass das jüdische Volk nicht von den Nazis vernichtet wird. Daraufhin bedeckt er sein Haupt und ruft das Sch’ma Israel zusammen mit den Anwesenden mit grosser Begeisterung.»

Mit diesem Erinnerungsbeitrag möchten wir an die menschlichen Widerstandskräfte gegen die Ursachen für solches Unrecht appellieren. Wir möchten dazu beitragen, dass unser Unrechtsbewusstsein gestärkt wird. Auschwitz muss eine Lehre für die deutsche, aber auch für alle übrigen Nationen der Welt sein, dass – wie es der Bundespräsident der BRD Frank-Walter Steinmeier jüngst in seiner Gedenkrede in Yad Vashem zutreffend hervorhob – kollektives antisemitisches, völkisches und autoritäres Denken zu solchen Verbrechen führen können.

Für den Abbau von Vorurteilen und fehlgeleitetem Denken möchten wir die Bedeutung und Eignung des interreligiösen Dialogs, der dem gegenseitigen Kennenlernen und Verstehen dient, hervorheben. Denn soweit die im Kontakt stehende Zivilgesellschaft dem friedlichen, sich anerkennenden und gleichberechtigten Miteinander zugeneigt ist, haben es manipulative und verbrecherische Strömungen, Organisationen und Regierungen weltweit schwieriger, die Menschen bzw. ihre Bevölkerungen durch Lügen und Halbwahrheiten gegen etwaige Bevölkerungsgruppen aufzuhetzen. Als Verein nehmen wir regelmässig an interreligiösen Podien und Gebeten, am Unterricht an Schulen und ähnlichen Veranstaltungen teil und sind auch jederzeit bereit an solchen Ereignissen konstruktiv mitzuwirken.

Wir wollen aktiv gegen Vorurteile, in diesem Fall antijüdische Vorurteile, vorgehen und deren Unvereinbarkeit mit der Lebensordnung des «Islam» (deutsch: Gottergebenheit) belegen. Denn Aufklärung in diesem Sachzusammenhang ist mehr denn je gefragt, häuften sich doch antijüdische Straftaten in Deutschland im Jahr 2018 um 19.6 % gegenüber dem Vorjahr (2018: 1799; 2017: 1504). An dieser Stelle sei auch an den Terroranschag in Halle (Saale) vom 9. Oktober 2019 – Versuch eines Massenmordes an Juden in einer Synagoge am Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag – erinnert und unzähligen weiteren Übergriffen gegen deutsch-jüdische Mitbürger in vielen Städten in der Bundesrepublik Deutschland.

Zum Abbau von auf Irrtümern basierenden Vorurteilen trägt, neben dem benannten lebendigen Kennenlernen seiner Mitmenschen, auch die auf Wissensvermittlung gerichtete Aufklärung der Menschen bei. Nicht nur, aber auch bei Mitbürgern, die sich dem Islam zugehörig fühlen, liegen politisch-historisch bedingt und vor allem auch aufgrund mancher lügnerischer-hetzerischer Prediger antijüdische Prägungen und Einstellungen vor. Eine genaue Kenntnis des Korans (deutsch: Lesung) sowie eine differenzierende und unvoreingenommene Lesart ist für die Überwindung falscher Annahmen unentbehrlich. Zur benannten Aufklärung sollen die vielfältigen Artikel auf alrahman.de (z.B.: ,,Auserwählt oder verflucht: Was sagt der Koran über die Juden aus?“ oder ,,Juden und Christen: Keine Freunde der Ergebenen?“) beitragen.

Wir möchten diesen Gedenkbeitrag mit einigen wichtigen Versen aus dem Koran abschliessen. Die nachfolgenden Verse heben den gleichberechtigten Zugang für alle gottergebenen Gemeinschaften (Juden, Christen wie Muslime) zur Gunst Gottes sowie deren theologischer Verbundenheit miteinander hervor und legen den Rezitierenden den friedensstiftenden interreligiösen bzw. zwischenmenschlichen Dialog ans Herz:

2:62 Gewiss, diejenigen, die glaubten und die Juden und die Christen und die Sabäer, wer an Gott und den letzten Tag glaubte und Rechtschaffenes tat, sie haben ihren Lohn bei ihrem Herrn und weder Angst sei über ihnen noch sollen sie traurig sein.

2:163-164 Und euer Gott ist ein Einiger Gott; es ist kein Gott außer Ihm, dem Gnädigen, dem Barmherzigen.

3:64 Sage: Ihr Leute der Schrift, kommt her zu einem Wort, das gleich ist zwischen uns und euch, dass wir nichts dienen außer Gott, ihm nichts beigesellen und dass wir einander nicht als Herren nehmen anstelle Gottes. Doch wenn sie sich abkehrten, so sage: Bezeugt, dass wir Ergebene sind.

3:103-104 Und haltet alle an der Schnur Gottes fest, teilt euch nicht auf und gedenkt der Gunst Gottes über euch, als ihr Feinde wart und er eure Herzen vereinigte. So wurdet ihr durch seine Gunst zu Geschwistern. Und ihr wart am Rand eines Grabens aus dem Feuer und er errettete euch von ihm. Auf diese Weise macht Gott euch seine Zeichen klar, auf dass ihr rechtgeleitet seid. Und aus euch soll eine Gemeinschaft sein, die zum Guten aufruft, das Erkenntliche gebietet und das Verwerfliche unterbindet. Und jene sind die Erfolgreichen.

3:113-115 Sie sind nicht gleich, unter den Leuten der Schrift gibt es eine aufrechte Gemeinschaft. Sie tragen die Zeichen Gottes im Laufe der Nacht vor, während sie sich unterwerfen. Sie glauben an Gott und an den letzten Tag, sie gebieten das Erkenntliche, unterbinden das Verwerfliche und eilen um der guten Taten willen. Und jene sind von den Rechtschaffenen. Und was sie an Gutem tun, wird ihnen nicht geleugnet werden, und Gott ist wissend über die Achtsamen.

4:162 Aber die von ihnen, die im Wissen verwurzelt sind, und die Gläubigen glauben an das, was zu dir herabgesandt und was vor dir herabgesandt wurde. Und die Aufrechterhaltenden des Kontakts, die zur Verbesserung Beisteuernden und die an Gott und den letzten Tag
Glaubenden; jenen werden wir einen gewaltigen Lohn zukommen lassen.

5:16 Die nach Gottes Wohlgefallen streben, leitet Er auf die Wege des Friedens.

16:43 So fragt die Besitzer der Ermahnung, wenn ihr nicht Bescheid wisst.

16:125 Lade ein zum Weg Deines Herrn mit Weisheit und schöner Ermahnung, und debattiere mit ihnen auf die beste Art und Weise! Dein Herr ist es, Der am besten weiß, wer sich von Seinem Weg abwendet und wer zur Rechtleitung findet.

22:40 Und hätte Gott nicht die einen Menschen durch die anderen abgewehrt, so wären gewiss Mönchsklausen, Kirchen, Gebetsstätten und Moscheen zerstört worden, in denen des Namens Gottes viel gedacht wird.

49:11 O ihr, die ihr glaubt, die einen sollen nicht die anderen verhöhnen, vielleicht sind diese eben besser als sie.

49:13 O ihr Menschen, Wir haben euch von einem männlichen und einem weiblichen Wesen erschaffen, und Wir haben euch zu Verbänden und Stämmen gemacht, damit ihr einander kennenlernt. Der Angesehenste von euch bei Gott, das ist der Gottesfürchtigste von euch. Gott weiß Bescheid und hat Kenntnis von allem.


In diesem Sinne erbitten wir von Gott, dem Allmächtigen, dass Er uns mit Frieden und gegenseitiger Barmherzigkeit segnen möge sowie mit der Kraft, das Übel in uns zu überwinden und zueinander zu finden. Mögen wir Auschwitz nicht nur für immer gedenken, sondern auch befähigt werden solche Verbrechen nie wieder geschehen zu lassen!

Gottes Frieden und Segen sei mit Ihnen!


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